Dienstag, 20. Dezember 2011

766

766 Die Kirche ging jedoch vor allem aus der Ganzhingabe Christi für unser
Heil hervor, die in der Einsetzung der Eucharistie vorweggenommen und am
Kreuz in die Tat umgesetzt wurde. „Der Anfang und das Wachstum [der
Kirche] werden zeichenhaft angedeutet durch Blut und Wasser, die aus der
geöffneten Seite des gekreuzigten Christus heraustreten“ (LG 3). „Denn aus der
Seite des am Kreuz entschlafenen Christus ist das wunderbare Sakrament
der ganzen Kirche hervorgegangen“ (SC 5). Wie Eva aus der Seite des
schlafenden Adam geformt wurde, so ist die Kirche aus dem durchbohrten
Herzen des am Kreuz gestorbenen Christus geboren (1).

766 (1) Vgl. hl. Ambrosius, Luc. II, 85–89 (expositio evangelii secundum Lucam 2,
85–89)
85. Es lehrte mich desgleichen Moses, daß niemand außer Gott die Welt geschaffen
hat; denn „am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“. Er lehrte desgleichen,
daß die Erschaffung des Menschen Gottes Werk ist, und schrieb nicht umsonst den
Satz nieder: „Es bildete Gott den Menschen aus Erdenlehm und hauchte in sein
Antlitz den Odem des Lebens“: du solltest Gott bei der Bildung des Menschen
gleichsam nach Art physischen Handelns Hand anlegen sehen. Er lehrte ebenso auch
die Erschaffung des Weibes durch Gott; denn „es sandte Gott einen tiefen Schlaf auf
Adam, und er schlummerte ein; da nahm er eine der Rippen aus dessen Seite und
ergänzte deren Fleisch. Und Gott der Herr bildete aus der Rippe, die er von Adam
genommen, das Weib“. Nicht umsonst, wie gesagt, stellt Moses Gott dar, wie er
gleichsam leiblich Hand an Adam und Eva legt. Die Welt hieß Gott werden und sie
ward, und mit einem Worte war, wie die Schrift hier andeutet, die Weltschöpfung
vollbracht. Da kommt die Reihe an den Menschen, und der Prophet müht sich, dir
gleichsam die Hände des schaffenden Gottes zu zeigen.
86. Einen weiteren Aufschluß, zu dem mich die geschaffenen Werke Gottes über
das hinaus, was ich [in der Genesis] lese, noch zwängen, wüßte ich nicht zu finden.
Da kommt der Apostel meinem heißen Verlangen entgegen und machte mir die
Bedeutung der Textstellen, die ich nicht verstand: „Bein von meinem Gebein und
Fleisch von meinem Fleisch“, und: „Man soll sie Männin heißen, weil sie von ihrem
Mann genommen ward“ kraft des Göttlichen Geistes offenbar, indem er beteuert:
„Ein großes Geheimnis ist dies“. Was für ein Geheimnis? „Die zwei werden ein
Fleisch sein“, und „Es wird der Mensch Vater und Mutter verlassen und seinem
Weibe anhangen“, und: „Glieder seines Leibes sind wir, von seinem Fleisch und
seinem Gebein“ Wer ist dieser Mann, um deswillen das Weib die Eltern verlassen
soll? die Kirche hat die Eltern verlassen, indem sie sich auf den prophetischen Ruf:
„Vergiß dein Volk und deines Vaters Haus!“ aus den Heidenvölkern sammelte. Um
welchen Mannes willen, wenn nicht vielleicht um dessentwillen, von dem Johannes
beteuert: „Nach mir kommt ein Mann, der vor mir ist“?, von dessen Seite, da er
schlief, Gott die Rippe nahm? Jener ist's, der „sich schlafen legte und ruhte und
wieder aufstand, weil der Herr ihn aufnahm“. Was bedeutet dieses Mannes Rippe
anders als Kraft? Denn in dem Augenblick, da ein Soldat dessen Seite öffnete,
entströmte ihr sogleich Wasser und Blut, das für das Leben der Welt vergossen
ward. Dieses Leben der Welt bedeutet die Rippe Christi, sie ist die Rippe des
zweiten Adam; denn „der erste Adam ward eine lebendige Seele, der letzte Adam
ein lebendig machender Geist“. „Der letzte Adam“ ist Christus, die Rippe Christi
das Leben der Kirche. „Wir sind sonach die Glieder seines Leibes, von seinem
Fleisch und seinem Gebein“. Und vielleicht ist es diese Rippe, von der er sprach:
„Ich fühle, daß eine Kraft von mir ausgegangen ist“. Das ist die Rippe, die von
Christus ausging, ohne seinen Körper zu schmälern; denn nicht körperlich, sondern
geistig ist die Rippe, der Geist aber ist selbst nicht teilbar, „teilt indes jedem zu, wie
er will“. Das ist die Eva, „die Mutter aller Lebendigen“. Verstehst du nämlich die
Stelle vom „Suchen des Lebendigen bei den Toten“ recht, so hast du unter den
„Toten“ jene zu verstehen, die ohne Christus sind, die am Leben nicht teilhaben;
denn das heißt an Christus nicht teilhaben, weil Christus das Leben ist. Die Mutter
der Lebendigen ist sonach die Kirche, die Gott aufbaute, „wobei Christus Jesus
selbst der Eckstein ist, von welchem der ganze Bau zusammengefügt ist und zum
Tempel emporwächst“.
87. Möchte denn Gott kommen! Möchte er „das Weib bauen“, jenes als Adams,
dieses hingegen als Christi Gehilfin, nicht als ob Christus der Hilfe benötigte,
sondern weil wir durch die Vermittlung der Kirche zur Gnade Christi zu gelangen
suchen und wünschen. Auch heute noch wird „das Weib gebaut“, auch heute noch
geformt, auch heute noch gestaltet, auch heute noch geschaffen. Darum die
ungewohnte Ausdrucksweise der Schrift, wir würden „darauf gebaut über dem
Fundamente der Apostel und Propheten“. Auch heute noch ersteht „das geistige
Haus zu einer heiligen Priesterschaft“. Komm, Herr und Gott, baue dieses Weib,
baue die Stadt! Es komme auch „Dein Knecht!“ Denn ich glaube dir, da Du
versicherst: „Er wird bauen meine Stadt“
88. Sieh das Weib, die Mutter aller! Sieh das geistige Haus! Sieh die Stadt, die
ewige, weil sie den Tod nicht kennt! Sie ist nämlich die Stadt Jerusalem, die jetzt auf
Erden sichtbar ist, aber herrlicher denn Elias entrückt - Elias war ja nur einer -
herrlicher denn Enoch weggenommen werden wird; denn dieser „ward entrückt, daß
die Bosheit sein Herz nicht verkehre“, jene aber erfreut sich als „die herrliche,
heilige, makellose, ohne Runzel“ der Liebe Christi; und wie unvergleichlich
Besseres besagt nicht die Aufnahme des ganzen Leibes [der Kirche] als seine
Aufnahme! Denn das ist die Hoffnung der Kirche: Sie wird in Wahrheit entrückt,
auf- und hinweggenommen werden in den Himmel. Sieh, im feurigen Wagen ward
Elias, wird die Kirche entrückt! Du glaubst mir's nicht? So glaube doch wenigstens
Paulus, in welchem Christus gesprochen: „Wir werden entrückt werden auf Wolken
Christus entgegen in die Luft, und so werden wir immerdar beim Herrn sein“.
89. Zum Aufbau der Kirche werden nun zwar viele gesendet, werden gesendet die
Patriarchen, werden gesendet die Propheten, wird gesendet der Erzengel Gabriel,
werden unzählige Engel abgeordnet und lobte eine Menge der himmlischen Heerscharen
Gott, weil der Bau dieser Stadt herannahte: viele werden zu ihr gesendet,
doch Christus allein erbaut sie. Freilich nicht allein ist er, weil auch der Vater dabei
ist. Und wenn er allein baut, so spricht er doch das Verdienst dieses so herrlichen
Baues nicht allein an. Vom Tempel Gottes, den Salomo baute, dem Vorbild der
Kirche, steht geschrieben, daß es siebzigtausend waren, die auf den Schultern
trugen, und achtzigtausend Steinhauer. Möchten jene Engel kommen! Möchten
Behauer der Steine kommen! Möchte das Überflüssige an unseren Steinen weg
gehauen; das Rauhe geglättet werden! Möchten auch Schulterträger kommen! Denn
es steht geschrieben: „Auf den Schultern werden sie getragen werden“.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen